
Die Zeit verfliegt…Was wir früher den Erwachsenen nicht glauben wollten, ist doch wahr geworden. Je älter man wird, desto schneller vergeht die Zeit. Kaum war man noch in der Schule, kämpfte mit den Teenagerproblemen und zack…ist man plötzlich doch schon 40 Jahre alt. Im Laufe der Zeit lernte ich, dass Zeit das schönste Geschenk ist. So schenkten zwei weitere Freundinnen und ich unserer Anja zum 40. Geburtstag eine gemeinsame Radtour. Diana, Anja und ich kennen uns schon seit unglaublichen 40 Jahren, da wir bereits zusammen in der Kindergrippe, später im Kindergarten und in der Schule waren. Annett (aus dem Nachbardorf) stieß in der ersten Klasse zu uns. Abgesehen von früheren Klassenfahrten waren wir noch nie zu viert unterwegs, aber ich wusste, dass sich diese Konstellation bewähren wird und tatsächlich wollen wir auch im nächsten Jahr eine weitere Fahrradtour machen. Ich freue mich jetzt schon!!!
Zunächst dachten wir an eine Rennsteigtour mit dem Fahrrad, allerdings hatte ich große Bedenken, da ich zwar sehr gerne und sehr viel Fahrrad fahre, aber bergauf nicht meine Stärke ist. Sieht man sich das Profil des Rennsteigs an, ist es für mich eine tolle Gebirgswanderstrecke. Mit dem Rad hätte ich keinen Spaß. Aber die anderen drei Mädels setzten sich zusammen und planten eine schöne, angenehm zu radelnde Tour von Gotha nach Hann. Münden, also von Thüringen über Hessen nach Niedersachsen.

57 Kilometer Wechmar-Gotha-Hörschel
Treffpunkt war am Freitagmittag das Gothaer Schloss, zu dem Annett und ich bereits 6 bzw. 7 Kilometer von unseren Heimatdörfern Günthersleben und Wechmar radelten. Wie schön, dass es tatsächlich geklappt hatte mit unserer Tour. So feierten wir zunächst kurz unser Wiedersehen mit etwas Prosecco, bevor wir gemeinsam losfuhren. Unsere Tour war komplett auf bereits bestehenden (Fern-)Radwegen geplant. Von Gotha nach Eisenach ging es entlang der „Städtekette“, 40 Kilometer.



Anschließend auf dem „Herkulesradweg“ bis nach Hörschel weitere 10 Kilometer. In Sättelstädt hatten wir eine vorzügliche Stärkung mit Fischbrötchen und Eis. Wer hätte in diesem kleinen Dorf einen solch guten Fischladen vermutet? Auf jeden Fall zu empfehlen, wenn man in der Nähe wohnt oder einmal daran vorbei kommt. Weiter ging es zu unserem Tagesziel Hörschel.
In Hörschel beginnt bzw. endet der Rennsteig. So konnte ich schon einmal sehen, wo ich landen werde, wenn ich meine Rennsteigwanderung fortsetze bzw. zu Ende führe.
Wir übernachteten in der schönen kleinen Pension „Tor zum Rennsteig“ und stärkten uns in dem nebenan liegenden Gasthof mit einem schweren gutbürgerlichen Thüringer Essen. Für mich natürlich Steak mit Würzfleisch überbacken, was ich eigentlich nur alle fünf Jahre zum Klassentreffen esse. Unsere Pension war gemütlich und das Frühstück klein aber fein und mehr als ausreichend.

46 Kilometer Hörschel-Eschwege
Gegen 9.45 Uhr setzten wir unsere Radtour am Dienstag fort. Nun ging es auf den „Werratal-Radweg“ http://www.werratal.de, auf dem wir bis zum Ziel bleiben würden.
Dieser Radweg verläuft teilweise gemeinsam mit dem Herkulesradweg und dem R 5, ist gut ausgeschildert und für alle Radfahrer geeignet. Lediglich in größeren Ortschaften und Städten ist die Ausschilderung etwas spärlich, so dass wir uns mehrfach verfuhren. Aber das kenne ich bereits von anderen Radwegen und Wanderwegen. Viele haben das Problem, dass die Beschilderung in den Ortschaften ungenügend ist. Selbst in Neuseeland habe ich diese Erfahrung gemacht. Allerdings war man in der Touristeninformation sehr aufgeschlossen und interessiert, wo uns denn eine Beschilderung gefehlt hat, man will dies nun ändern, um zukünftig die Radwanderer direkt richtig zu leiten. Sehr schön an dem Radweg fand ich, dass er nicht an den Ortschaften vorbei führt, sondern meist eine kleine Tour durch den Ortskern macht, wodurch man sich die Orte näher ansehen kann und sich ggf. auch verpflegen könnte.
Beeindruckt haben mich neben der schönen Landschaft entlang der Werra die Orte. Allesamt zu fast 100 Prozent aus Fachwerkhäusern bestehend, alle restauriert, gepflegt, liebevoll geschmückt, insgesamt sehr sauber. Ich kam mir vor, als führe ich durch Gemälde. Wunderschön!
Den Vormittag über regnete es, aber da wir die richtige Kleidung dabei hatten, hielt uns das natürlich nicht vom Weiterfahren ab.

Wir hatten keinen Zeitdruck und legten zunächst in Treffurt eine größere Pause ein. Schauten kurz beim Stadtlauf vorbei, erkundeten den besonderen Heimat- und Traumzielpark und gönnten uns Mohntorte zum Kaffee, auch typisch für uns Thüringer Mädels.

Das Wetter besserte sich und so legten wir bei Kilometer 29 am Wanfrieder Hafen in einem wunderschönen Biergarten direkt an der Werra noch einen Aperol-Spritz-Zwischenstopp in der Sonne ein.
Die Werra ist eine gute Paddelstrecke und so sind viele Biergärten auf Paddler eingestellt, mit eigenem Anliegersteg und meist auch mit einem Bootverleih. Neben uns, auf einem festliegenden Schiff fand eine Trauung statt, offizielles Standesamt der Stadt Wanfried.
Von hier folgten wir dem E 5 für knapp 10 Kilometer bis Eschwege, unserem Etappenziel. Da wir gut in der Zeit waren und das Wetter sich mittlerweile von seiner besten Seite zeigte, fuhren wir noch die zusätzliche Runde von 7 Kilometern um den herrlichen Werratalsee, bevor wir in der Jugendherberge eincheckten.
Die Jugendherberge ist zwar in die Jahre gekommen, aber schön hergerichtet, sehr sauber und die Lage in unmittelbarer See- und Stadtnähe überzeugen absolut. Wir beeilten uns zur Touristeninformation zu radeln, da wir den Stadtrundgang machen wollten, für den man die Unterlagen dort bekommt. Leider hatte man Annett am Telefon eine falsche Auskunft erteilt und so war die Information nur bis 13, statt wie angekündigt bis 18 Uhr geöffnet.


Also radelten und spazierten wir aufs Gradewohl durch die schöne Fachwerkstadt, hatten einen schönen Ausblick vom Luisenturm, schauten und hörten uns das berühmte Glockenspiel auf dem Marktplatz an und kehrten dann in dem griechischem Restaurant Sirtaki ein. Von außen nicht unbedingt ansprechend, waren wir sehr überrascht, dass es innen voll war und wir warten mussten, bis ein Tisch frei wurde. Wir hatten einen sehr lustigen Abend, mit viel Ouzo, sehr guten griechischem Essen und Wein. Ja, wir sind auch etwas aufgefallen und waren Sonntag sicherlich noch bei einigen Leuten Gesprächsthema…Überhaupt war das Anstrengendste auf der Radtour das viel Lachen. Einfach herrlich, das Leben so mit guten Freundinnen genießen zu können! Leider hatte sich Annett in der Stadt einen Reifen platt gefahren, sodass wir in die Jugendherberge zurückschieben mussten. Glücklicherweise hatten die drei Mädels am Donnerstagabend bei Dianas Freund Frank einen Workshop zum Reifenflicken belegt (vielen Dank an Frank an dieser Stelle) und so packte Anja an und flickte den Reifen in der Jugendherberge Profihaft. Unser 6-Bett-Zimmer hatten wir für uns allein, konnten also noch tanzen, quatschen und viel lachen, bevor wir müde in die Betten fielen.
80 Kilometer Eschwege-Hann. Münden-Wechmar
Am nächsten Morgen kamen wir erstaunlich gut aus unseren Betten, allerdings stand heute auch die längste Etappe an und wir hatten etwas Zeitdruck, da wir bereits um 14.20 Uhr unseren Zug in Hann. Münden erreichen wollten. Nach dem Frühstück in der Jugendherberge suchten wir zunächst eine Tankstelle, um Annetts geflickten Reifen noch einmal vernünftig mit Luft zu füllen. Nach einigem Suchen fanden wir eine geöffnete Tankstelle (ja, zuvor eine geschlossene gefunden…das ist der Unterschied zur Großstadt). Allerdings durften wir dort lernen, dass es sich bei Annets Ventil um ein französisches handelt, bei dem die Luftpumpen der Tankstelle nicht passen (ja, ich weiß auch mittlerweile, dass es extra Übergangsstücke hierfür gibt…man lernt ja nie aus). Also gab Anja „Die Starke“ noch einmal alles und pumpte mit der kleinen Handpumpe was das Zeug hielt.
Leider fanden wir dann zunächst den Radweg nicht wieder und verfuhren uns fast eine Stunde, natürlich immer bergauf. Auf einer riesigen Anhöhe angekommen hatten wir zwar einen schönen Blick über Eschwege, aber die Zeit drängte und mit Hilfe vom GPS ging es in einer rasanten Abfahrt steil wieder hinunter zur Werra und dort trafen wir auch wieder auf den Radweg. Gut, dass wir gute Bremsen hatten.
Wie bereits gestern fuhren wir durch die idyllische Landschaft der Rhön und durch traumhafte Fachwerkhäuserdörfer. Wir stellten schnell fest, dass es nicht möglich war unseren Zug zu erreichen und beschlossen, den Zug eine Stunde später zu nehmen.

Trotzdem hatten wir Zeitdruck und schafften es am Ziel im herrlichen Hann. Münden, mittlerweile in Süd-Niedersachsen angekommen, nur schnell bis zum Ziel, dem Weserstein. Hier fließen die Flüsse Werra und Fulda zusammen und fließen als Weser weiter.

Ohne einen Essensstopp einlegen zu können mussten wir zum Bahnhof, von wo aus wir zurück nach Gotha fuhren. Nach einem Abschlussfoto und der nun leider anstehenden Verabschiedung von Anja und Diana fuhren Annett und ich noch weiter nach Hause bzw. ich zu meinen Eltern.

Was für eine besondere Tour! So viel Leichtigkeit, Lachen, Lebensfreude und Freundschaft ohne Vorbehalte. Und das alles, obwohl wir teilweise über Monate bis Jahre keinen Kontakt hatten. Das macht Freundschaft und Erwachsensein aus. Ich danke euch von ganzem Herzen meine Thüringer Mädels und freue mich auf unsere „Klassenfahrt“ im nächsten Jahr!